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Noah, der Burgermeister

Noah, der Burgermeister

Auf dem Weg vom Strand zum Hostel sehe ich ein Schild, das mich zum Schmunzeln bringt. Es gehört einem Burger-Laden namens „Noah Burger“ und ist eine recht dreiste Kopie des Burger-King-Logos. Super! Betrete den Laden und sehe mich um. Richtig professionell sieht es hier nicht aus. Will gerade wieder gehen, als ein Mann Ende 50, mit weissem, dünnen Haar, freundlich grinsend um die Ecke biegt.

Pepsi ist wie Cola

Er ist etwa 1,50m gross, aber seine weisse Küchenhaube steigert seine Größe auf 1,65m. Er sagt, dass er Noah heißt, es sein Burger-Laden ist und reicht mir eine Hand. Ich drücke sie, doch sie ist so fettig, dass sie direkt aus meinem Griff flutscht. Noah merkt auch, dass er fettige Hände hat. Er reibt eine Hand an seiner Schürze ab.  Die sieht aus, als ob sie schon seit Generationen zu diesem Zweck genutzt, jedoch nie gewaschen wird. Die andere Hand säubert er subtil an meinem T-Shirt, indem er sie auf meinen Rücken legt und mich zur Theke schiebt. Dort finde ich weniger Auswahl als vorher am STRAND. Es gibt nur zwei Menüs. Das passt auch zu „Noah“, so biblisch gesehen. Chickenburger mit Pommes und Cola ist Nummer 1, Chickenburger mit Cola ist Nummer zwei. Manchmal wäre ein wenig mehr Auswahl schon schön. Bestelle Menü Nummer 1.

Er freut sich, bietet mir einen Stuhl an und platziert mich an einem der vier Tische. Ich schaue mich um. Der Burgerladen ist recht gut besucht. Nur leider nicht von Menschen. Geckos und Schimmel bevölkern die Wand, Fliegen und Moskitos die Luft und Ameisen den Boden. Es ist sehr dreckig. Da die Fritteuse seit einigen Minuten angestellt ist, gesellt sich auch ein ranziger Geruch dazu. Das Frittierfett riecht alt. Das ist bestimmt schon so lange im Einsatz wie die Schürze. Suche an den Wänden nach Qualitätssiegeln. Da hängt aber nichts.

Nichtmal so etwas wie „Seit 50 Jahren sorgen wir für Lebensmittelvergiftungen“. Nur Plakate von „Noah Burger“. Trotzdem beschleicht mich das Gefühl, dass es keine vernünftige Idee ist, hier zu essen. Zu spät, jetzt habe ich schon bestellt und bezahlt.

Irgendwann bringt er mir eine Pepsi-Dose. Ich frage ihn, ob er keine Cola hat. Steht schliesslich im Menü und ist auf den Bildern zu sehen. Noah sagt nein. Weise ihn auf die leeren Cola-Flaschen hin, die überall im Raum liegen oder stehen. Er sagt, dass er die ganze Cola ausgetrunken hätte. Ich frage nach Alternativen, da ich Pepsi nicht mag. Er hat keine. Aber er meint, dass das doch kein Problem sei, schliesslich schmecken Cola und Pepsi identisch. Frage ihn, warum er dann nicht einfach Pepsi getrunken hat. Er sagt, dass ihm Pepsi nicht schmeckt. Während ich noch versuche, seiner Argumentation zu folgen, entschwindet er in die Küche.

Halber Burger mit Salzstäbchen

Einige Minuten später bringt er mir ein grosses Tablett, in dessen Mitte ein Burger, verpackt in „Noah Burger“-Papier, liegt. Das Branding hat er im Griff. Die Burger-Konstruktion nicht. Die obere Hälfte fehlt. Dabei wäre die ganz hilfreich, um das etwas verwitterte Stück Salat zu verdecken, das auf dem Stück gepressten Hühnerfleisch-Imitat thront.

Er scheint den Fehler aber zu merken, denn schon kommt er mit der Brötchenhälfte angetrabt. Er trägt sie mit ausgestreckten Armen auf beiden Handflächen (natürlich ohne Handschuhe), hält seinen Kopf leicht gesenkt und entschuldigt sich tausendfach bei mir. Als Wiedergutmachung drapiert er die Brötchenhälfte auf meinem Burger und stellt dabei sicher, jede Stelle des gesamten Burgers mindestens einmal angefasst zu haben. Lecker. Ich beisse rein. Nicht so lecker.

Noah steht etwa zwei Meter vor mir und schaut mir grinsend zu. Der Burger ist nichtmal der schlechteste, den ich je hatte, aber mit der ganzen Umgebung, dem Geruch und dem Rumgefummel, ist er in der Summe einfach furchtbar. Aber da steht nun ein liebenswerter alter Herr und fragt mich, wie es mir schmeckt. Ich will nicht lügen. Zumindest nicht verbal. Also sage ich nichts und zwinge mir ein Grinsen ab. Er ist so ein schnuckliger alter Mann und er hat sich solche Mühe gegeben. Ausserdem will ich, dass er geht. Mein Grinsen scheint ihm allerdings nicht zu reichen. Strecke zusätzlich einen Daumen in die Luft und intensiviere meine Grins-Bemühungen. Endlich. Er frohlockt zurück in die Küche.

Der Burger ist Geschichte und mein Magen beschwert sich bereits darüber, dass ich ihn komplett gegessen habe, als Noah die Pommes bringt. Ach richtig, die hatte ich fast vergessen. Aber gut, die Pommes schmecken bestimmt. Da kann selbst der hutzelige Noah nicht viel falsch machen. Denke ich. Als ich sie betrachte, wachsen Zweifel. Die Pommes sind in etwa so bleich, wie ich am Anfang meiner Reise war. Zudem etwa so knackig, wie der Hintern der Frau auf der Fähre nach KOH PHI PHI. Ob die schmecken?

Ich probiere eine Pommes. Wow. Verrückt. Damit habe ich nicht gerechnet. Es ist ein Erlebnis, dass mein Leben verändert. Essen wird nie wieder das gleiche sein. Es ist, wie einen Löffel Salz zu essen. Während meinem Körper schlagartig alle Feuchtigkeit entzogen wird, begehen meine Geschmacksknospen kollektiv Selbstmord. Meine Sehkraft schwindet und ich greife verzweifelt nach meiner Dose. Der Inhalt schmeckt – dank der abgestorbenen Geschmacksnerven – wie Mineralwasser. Nie hat mir Pepsi besser geschmeckt.

So gerne ich den alten Mann mag, aber die etwa 20 Salzstäbchen, die da vor mir liegen, kann ich unmöglich essen. Auch wenn der hohe Salzgehalt dafür sorgt, dass das ranzige Fett nicht durchzuschmecken ist. Aber um sie zu essen, müsste ich für jede Pommes eine Dose Pepsi trinken. 330ml pro Dose. Also 6,6 Liter Pepsi. In einer halben Stunde. Das ist nicht zu schaffen. Sorry, Noah, but noah chance! Ich stehe auf, reiche ihm die Hand und verabschiede mich. Zum Glück fragt er nicht, wie es mir geschmeckt hat.

Laufe aus dem Laden und zurück in mein Hostel. Gerne würde ich diese Episode vergessen. Leider deutet mein Magen aber an, dass ich in den nächsten Tagen wohl noch häufig an Noah und seinen Burgerladen denken werde. Ob ich es überlebe?

Das ist dann ein Anderes Thema.

 

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