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Strubbelkopf und falsche Kurven

Strubbelkopf und falsche Kurven

Die Landung gelingt erst im zweiten Anlauf und ist dann auch recht holprig. Die Einreisekontrolle geht zum Glück schnell vorbei und verläuft problemlos. Hole meinen Rucksack und verlasse den Flughafen innerhalb weniger Minuten.

Als ich den Wirkungsbereich der Klimaanlage verlasse, pralle ich gegen eine unsichtbare Wand. Entgegen meiner ersten Vermutung ist es keine Glastür, sondern das Klima. Die Temperatur beträgt etwa 500 Grad und die Luftfeuchtigkeit ist so hoch, dass ich fast schwimmen muss, um vorwärtszukommen. Generell ist es schwierig, sich zu bewegen, drängen sich doch vor dem Ausgang etwa 7.000 Fahrer jedweder Untersätze und buhlen aufgeregt um meine Baht. So viel Trubel. Schwimme erstmal an den Rand, lehne mich gegen eine Wand und atme kurz durch. Trotz der Erschöpfung muss ich breit grinsen: Die Reise beginnt jetzt.

Toll wäre es, meine Reise direkt in einem exotischen Gefährt zu beginnen. In einer Riksha, die von Makaken-Affen auf Rollschuhen gezogen wird, zum Beispiel. Gibt es nicht. Oder vielleicht gibt es zwei Elefanten, zwischen denen eine Hängematte aufgespannt ist. Leider nein. Ist aber eigentlich auch ganz gut so, bin ja Tierfreund. Ok, realistisch bleiben. Das exotischste Fahrzeug ist dann das Tuk-Tuk, aber das will ich nicht. Ist ja bekanntermaßen Abzocke. Sagt ja auch schon der Name. Tuk, das kommt vom Englischen „take“

Diese Bezeichnung komprimiert also die Aussage: „I took the tourists money“. Tuk-Tuk besagt demnach, dass der Fahrer vom Fahrgast zweimal nimmt, sprich das Doppelte des gängigen Preises abkassiert. Ich hab Euch durchschaut, don’t take-take me for a fool. Die fehlerhafte Rechtschreibung dient dabei nur der Verschleierung. Damit nicht genug, ist es eine weitere Hinterlist, dass der Begriff „Tuk-Tuk“ phonetisch dem bekannten Hühner-Lockruf „Put Put“ ähnelt und darauf abzielt, die Touristen anzulocken. Auch das ist schlüssig, braten sich doch viele Urlauber am Strand wie Grillhähnchen. Aber das ist ein anderes Thema.

Jedenfalls muss die Entscheidung nun zwischen einem Scooter-Taxi und einem Minibus fallen.

Als 2 Meter-Riese mit einem 75l-Rucksack und einem Tagesrucksack auf einem zerschlissenen Sitz hinter einem kleinen Thailänder auf einem klapprigen Roller zu sitzen, verströmt einen gewissen Reiz. Alleine die viele Adjektive. Vermutlich wäre dann auch die ganze Fahrt über der Vorderreifen in der Luft. Cool. Aber ich eben auch mit meinem Hintern nur knapp über dem Boden. Weniger cool.

Tendentiell bin ich also für das Scooter-Taxi, muss das aber vorher nochmal durchgehen.

Die Berechnung

Hole einen Taschenrechner, Papier und einen Stift heraus und zeichne das auf. Mein Rucksack ist ungefähr so groß wie der Fahrer selber, also kann er ihn schlecht tragen. Der Typ wiegt etwa 50 kg, ich bringe es mit Gepäck bestimmt auf 120kg. Er hat schwarze, buschige Haare… das hilft mir gar nicht weiter. Aber die Skizze wird durch dieses Detail lebendiger. Betrachte ihn und die Skizze nochmal und beschliesse, ihn Zottel zu nennen. Nach einigen Berechnungen bin ich recht sicher, dass es so klappen könnte:

Ich sitze auf dem Sitz und trage meinen großen Rucksack auf dem Rücken. Er legt seine Schienbeine auf meine Schultern und verhakt sich mit den Füßen in meinem Rücken. Zottel müsste seinen Körper wie ein Brett spannen und sich auf dem Lenker abstützen. Von seinem Hals, der dann knapp vor dem Lenker ist, würde dann mein kleinerer Rucksack baumeln.

So müssten wir das Gewicht ausgleichen können und in der Lage sein, einigermassen sicher zu fahren. Zumindest geradeaus. Dürfen halt keine Kurven kommen. Aber Thailand soll ja recht arm sein. Die haben bestimmt auch keine Kurven. Oder nur falsche Kurven, wie die Ladyboys. Die Schlingel.

Wie auch immer, ich zeige ihm meine Skizze. Er sagt, dass er seine Frisur auf der Zeichnung für übertrieben hält. In Ermangelung eines Spiegels halte ich eine Diskussion für aussichtslos und korrigiere seine Frisur widerwillig. Zottel, der aber definitiv zottliger ist, als er selber meint, betrachtet die Aufzeichnung zufrieden und schlägt vor, dass wir den neu gewonnenen Platz vor mir bzw. unter ihm mit einem weiteren Fahrgast füllen könnten. Ich erkläre mich gesprächsbereit, will aber erst die Position ausprobieren.

Hier die Skizze:

Ich setzte mich also hin und wieselflink wie ein…äh… Wiesel, klettert er an mir hoch und nimmt seine Position ein. Sofort überwältigt mich der Stolz auf die bemerkenswert stabile Statik meiner Konstruktion. Allerdings keimen auch leise Zweifel, denn nun tritt die undichte Stelle in meinem wasserdichten Plan zu Tage. Eine Stunde lang auf Zottels Hintern zu sehen, das ist irgendwie nichts für mich. Zumal seine Waden links und rechts von meinem Kopf einen regelrechten Sichttunnel bilden. Kurz erheitert mich der Gedanke, dass er wenigstens selber fährt und keinen fahren lässt. Dann finde ich den Witz doch zu infantil und überlege lieber, ob es vielleicht eine andere Position gibt, die weniger eine Popo-sition ist, aber mir fällt keine ein.
Geknickt breche ich den Versuch ab. Er versteht es und wir trennen uns im Guten. Also Minibus.

Minibus

Im Minibus sitzen ein paar Asiaten und zwei Europäisch aussehende Pärchen. Versuche mit ein paar Fragen eine Konversation zu starten. Klappt nur bedingt, denn lediglich die zwei Paare sprechen Englisch. Naja, dann kommen eben nur die vier in den Genuss meiner Witze: „..I mean it is so confusing. They call it Thailand, but no one is actually wearing one.“ Keine Reaktion. Vielleicht war die benötigte Transferleistung zu groß. Zeige pantomimisch eine Krawatte. Keine Reaktion. Neuer Versuch: „And who is the guy on all their money? Is it Bahtman?“ Es hüstelt nicht einmal jemand. Stille kann so laut sein. Sehe beleidigt aus dem Fenster und beobachte den Verkehr.

Verrückt, wie hier gewuselt und gedrängelt wird. Es sieht verkehrt aus, nicht nach Verkehr. Am schlimmsten sind die Scooter. Ich bin froh, im Minibus zu sitzen, denn nie war der Zusammenhang von Gefährt und Gefahr offensichtlicher als bei Scooter-Taxis. Die fahren durch jede winzige, sich anbietende Gasse, jedes Schlupfloch, scheren aus und ein, wie sie gerade lustig sind und springen über Schlaglöcher. Der eine Fahrer hat seine Beine sogar auf den Schultern seines Fahrgastes und stützt sich am Lenker… Zottel! Winke ihm. Zottel grinst, versucht auch zu winken und fährt neben uns her. Dann kommt eine Kurve – sogar eine echte – und bestätigt leider meine Theorie. Sehe aber noch, dass nichts passiert ist, bevor die Unfallstelle aus meinem Blick verschwindet.

Kurz darauf komme ich in meiner ersten Unterkunft an. Ab jetzt wird Thailand erkundet.

Aber das ist dann ein Anderes Thema.

 

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